Wohnungsstationen durch elektronische Vernetzung ganzheitlich optimieren

Wohnungsstationen durch elektronische Vernetzung ganzheitlich optimieren

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Wohnungsstation
Eine Anekdote zur Einstimmung

Es ist Herbst geworden in Kassel. Auf der Fahrt zu einem Kunden, dessen alter Gaskessel streikt, ruft Heizungsbauer Jörg Vogt aufgewühlt in die Freisprecheinrichtung seines Transporters: „Wie bitte, das Duschwasser ist schon wieder zu kalt? Ich habe doch erst Dienstag Ihre Abgleichventile nachgestellt!“

Am anderen Ende der Leitung redet Herr Schwarz lautstark auf Jörg Vogt ein. Herr Schwarz ist vor kurzem in seine Dachgeschosswohnung in der Ringstraße eingezogen. Neubau, 6 Etagen. Vogt flucht gedanklich.

Diese dezentrale Frischwasserstation in der Ringstraße ist zum verrückt werden. Was hat der Hersteller da wieder für einen Mist geliefert? Oder hat es der Planer verbockt? Egal, jedenfalls scheint ihm diese Anlage wahnsinnig schwer in den Griff zu bekommen.

„Ja, Herr Schwarz, ich kann nächste Woche versuchen, ob ich an der Zentralpumpe noch etwas einstellen kann. Ich kann aber nichts versprechen… Ja, früher geht’s leider nicht… Okay, okay, ich komme gleich noch bei Ihnen vorbei… Ja, tut mir Leid Herr Schwarz, danke, Ihnen auch.“

Problemanlagen wie diese gibt es im Feld leider häufig – selbst mit qualitativ hochwertigen Wohnungsstationen der Hersteller und solide geplanter Hydraulik. Besonders die dezentralen Frischwassersysteme, die oft noch rein thermomechanisch geregelt sind, erfordern äußerst sorgfältige Planung und Installation mit höchster Präzision beim hydraulischen Abgleich, die in der Praxis selbst von guten Fachleuten selten erreicht wird.

 

Schon kleine Abweichungen bei der Installation oder der Auswahl von Systemkomponenten können jedoch die Wärmeversorgung in einzelnen Wohnungen, bestimmten Zapfsituationen oder ganzen Gebäuden beeinträchtigen. Die Folgen solcher  Abweichungen reichen von der Unterversorgung bis zur Energieverschwendung. Man munkelt in Branchenkreisen, dass herstellerübergreifend nicht einmal die Hälfte solcher dezentralen Frischwasseranlagen wirklich reibungslos funktioniert.

 

 

Sechs Vorteile einer elektronischen Regelung für Wohnungsstationen

Eine elektronische Regelung hingegen kann über die Sensorik die gesamte Anlage ganzheitlich betrachten und hat zugleich die notwendigen Stellmöglichkeiten zur Hand, um schnell und gezielt zu intervenieren. So kann die Versorgungssicherheit des Systems an jeder Zapfstelle erhöht, der Komfort gesteigert und die Energieeffizienz optimiert werden. Eine Elektronik kann Wohnungsstationen auf mindestens 6 Wegen verstärken:

 

1. Kompensation kleiner Fehler im hydraulischen Abgleich oder unrealistischer Gleichzeitigkeits-Annahmen

Die DIN-Vorgaben zum Gleichzeitigkeitsfaktor sind für einzelne Projekte oder Leitungsstränge oft realitätsfremd. Zu Kernzeiten stoßen die Systeme an ihre Grenzen, so dass an einigen Zapfstellen keine ausreichende Temperatur vorhanden ist. Elektronische, vernetzte Frischwasserstationen haben hingegen systemweit Eingriffsmöglichkeiten, um situativ stets die richtige Zapftemperatur bereit zu stellen.

 

2. Kommunikation mit der Zentralpumpe

Zentralpumpe und dezentrale Frischwasserstationen sind oft regeltechnisch voneinander isoliert, so dass der Volumenstrom nicht optimal auf den momentanen Bedarf angepasst werden kann. Die Konsequenz können überhöhte Energieverbräuche oder Unterversorgungen sein. Abhilfe schafft eine Systemlösung, die neben der Frischwasserbereitung in den Wohnungen auch direkt mit der Steuerung der Zentralpumpe zusammenarbeitet.

 

3. Präzise Warmwasser-Temperatur

Die Temperaturregelung des Frischwasserteils einer Wohnungsstation ist häufig zu ungenau und träge. Abweichungen von +-5°C sind hierbei keine Seltenheit, obwohl schon deutlich kleinere Abweichungen den Duschkomfort spürbar beeinträchtigen. Eine elektronische Regelung mit reaktionsschnellen Stepper-Ventilen passt sich hingegen in Sekunden den jeweiligen Gegebenheiten an.

 

4. Stabile Raumtemperatur

Die Kombination aus Einzelraumregelung und witterungsgeführter Heizkreisregelung je Station passt die VL-Temperatur der Flächenheizung kontinuierlich an die jeweiligen Außen- und Raumtemperaturen an. Beispiel: bei sinkenden Außen- oder Raumtemperaturen wird zunächst die Vorlauftemperatur angehoben, und schon wieder langsam abgesenkt sobald sich die Ist-Temperatur im Raum der Soll-Temperatur annähert. So wird eine stabile Raumtemperatur ohne merkliche Überschwingungen ermöglicht.

 

5. EnEV-Konformität

Standardmäßig ist nur eine zentral einstellbare Heizungskennlinie möglich bzw. muss im System immer eine hohe Vorlauftemperatur zur Warmwasserbereitung vorgehalten werden, obwohl eine witterungsgeführte Regelung jeder Wohneinheit zunehmend gewünscht, oder durch die EnEV gefordert wird. Diese muss dann für jede Wohnungsstation separat nachgerüstet werden. Effektiver wäre ein einheitliches Regelkonzept in der Wohnungsstation zu integrieren.

 

6. Konnektivität

Elektronische und mit dem Internet verbundene Wohnungsstationen eröffnen im Zeitalter der Vernetzung diverse Möglichkeiten zur Ferndiagnose, Datenauswertung oder für Wartungszwecke.

Beispielsweise können Firmware-Updates über einen integrierten WiFi-Chip einfach over the air aufgespielt werden, sei es zur Problembehandlung oder für funktionale Verbesserungen. Somit kann das gesamte System sogar nach der Installation fortlaufend mitwachsen und hinsichtlich der IT-Sicherheit aktuell bleiben.

Im Fall der Heizungsregelung ist besonders wichtig, dass Firmware-Updates zwar ohne besondere IT-Kenntnisse durchführbar sind, zugleich aber sichergestellt ist, dass hierbei keine Systemeinstellungen durcheinandergeraten können – getreu dem Motto „never change a running system“. Im Kontext der Gebäudetechnik sind Firmware Updates also eher als nützliche Wartungsfunktion für den Fachmann zu konzipieren und nicht als Spielerei für den Endkunden.

Speziell in Mehrfamilienhäusern und Nicht-Wohngebäuden spielt die Gebäudeleittechnik eine immer größere Rolle. In der Praxis stellt die Vielfalt an gängigen Kommunikationsprotokollen von CAN, Modbus oder BACnet durchaus eine Hürde dar. Heizungsregler können unmöglich alle Bus-Systeme zugleich integrieren, sollten aber in jedem Fall zumindest eine Schnittstelle „nach draußen“ anbieten. Wenn das eingesetzte GLT-Protokoll von dem des Reglers abweicht, lässt sich die gewünschte Kompatibilität dann meist über entsprechende Converter lösen, die am Markt frei verfügbar sind.

 

Für doppelte Datensicherheit sorgen

Aus Gründen des Datenschutzes ist bei der Datenübertragung innerhalb eines vernetzten Systems unbedingt auf eine angemessene Verschlüsselung zu achten. Bei der Internetanbindung per WLAN sollte beispielsweise der WPA2-Sicherheitsstandard eingesetzt werden, der auf dem Advanced Encryption Standard AES basiert.

Darüber hinaus empfiehlt sich etwa im Mehrfamilienhaus eine Unterteilung des Regelsystems in zwei Datennetze: ein privates für die Wohnung, welches nur für die jeweiligen Bewohner einsehbar ist, und ein systemweites, zur ganzheitlichen Optimierung des Heizsystems im Gebäude. Somit kann die vernetzte Wohnungsstation ihr volles Potenzial entfalten, während zugleich die Privatsphäre der Bewohner geschützt bleibt.

CAN Tabelle

Abbildung: Die physische Aufteilung in separate Datennetze trennt systemrelevante und private Daten im Mehrfamilienhaus sicher voneinander ab

 

Auch komplexe Systeme müssen bedienbar sein

Die beste Technik bringt nichts, wenn die Installateure sie nicht gerne verbauen. Daher gilt auch für Wohnungsstationen, unbedingt auf eine zeitsparende und angenehme Installation Wert zu legen. Eine UX-orientierte Bedienerführung kann die korrekte Einrichtung des Systems stark fördern und somit den Markterfolg der Wohnungsstation befeuern.

Mit Blick auf die Verkabelung sind vor allem die Anschlüsse der Zonenregelung einer Fußbodenheizung oft mühsam. Durch die Verwendung von Steck- statt Schraubklemmen kann diese jedoch beispielsweise beschleunigt werden. Zudem kann durch Vorverkabelungen ab Werk der Arbeitsaufwand und das Fehlerpotenzial auf der Baustelle deutlich reduziert werden.

Bei vernetzten Systemen ist des Weiteren eine unkomplizierte Einrichtung des Netzwerks besonders wichtig. Dies gilt umso mehr, da sich nicht alle SHK-Handwerker in der digitalen Welt zuhause fühlen. Drahtlose Geräte wie etwa Raumthermostat und -sensoren sollten sich idealerweise per Knopfdruck einfach finden und miteinander verbinden lassen, ohne besondere Netzwerkkenntnisse vorauszusetzen.

Jonas Bicher

Über den Autor

Jonas Bicher ist seit 2013 Geschäftsführer bei SOREL.
Er mag innovative Ideen, Usability Design und softwarebasierte Technologien

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